
Die Landschaften des Parks
Geopatrimonium
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Geodiversität:
Warum ist sie wichtig?
Die Geodiversität eines Gebiets beschreibt die Vielfalt der unbelebten natürlichen Elemente wieGesteine, Böden, Flüsse, Seen und alle Formen des Reliefs an der Erdoberfläche. Sie zeugt von vielfältigen geomorphologischen Prozessen in Vergangenheit und Gegenwart.
Eine reiche Geodiversität schafft zahlreiche verschiedene Lebensräume – oder Biotope – für Flora und Fauna. Indem sie die Voraussetzungen schafft, unter denen Leben entstehen und gedeihen kann, bildet die Geodiversität die Grundlage sämtlicher Lebensräume und Ökosysteme der Erde. Sie ist also das Fundament der Biodiversität.

Lac de Coudré – ©Quentin Vonlanthen
Lange Zeit wurde die Geodiversität von Naturschutzpolitiken kaum berücksichtigt, obwohl sie zahlreiche Leistungen für unsere Gesellschaft erbringt: Energiequellen, Rohstoffe, Trinkwasserversorgung, Klimaregulierung sowie wirtschaftliche, pädagogische und touristische Attraktivität einer Region. Das Verständnis der Geodiversität eines Gebiets hilft auch dabei, sich gegen Naturgefahren zu schützen und sich besser an die grösste Herausforderung unserer Zeit anzupassen: den Klimawandel.
Aus wissenschaftlicher Sicht erlaubt das Studium der Geodiversität Rückschlüsse auf die Geschichte der Erde und des Lebens sowie auf die Entwicklung von Klima und Landschaften im Laufe der Zeit. Sie enthält das Gedächtnis unseres Gebiets. Dieses echte Erbe, das an künftige Generationen weitergegeben werden sollte, wird als Geopatrimonium bezeichnet.
Geomorphologie:
Die Formen des Reliefs lesen
Das Geopatrimonium erzählt zum Beispiel die Geschichte der Entstehung unserer Berge oder der Eiszeiten, die unsere typischen Parklandschaften stark geprägt haben. Das Verständnis des Geopatrimoniums bedeutet, sich auf eine andere Zeitskala einzulassen und die Landschaften als ein wertvolles, sich ständig veränderndes Freiluftbuch zu betrachten.
Dank der Geomorphologie, der Wissenschaft, die sich mit den Formen des Erdreliefs, ihrer Entstehung und ihrer Entwicklung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft befasst, kann dieses Buch gelesen und verstanden werden. Diese Disziplin steht an der Schnittstelle zwischen Geographie und Geologie und untersucht die Prozesse, die die Erde formen.
Das Geopatrimonium des Parks ist besonders reich an Formen: beeindruckende alpine Falten, von ehemaligen Gletschern geformte Täler, Karstsysteme, Blockfelder, spektakuläre Wasserfälle oder tiefe Schluchten zeugen von der Kraft vergangener – und teils noch heute aktiver – Naturgewalten.

Geotope:
Zeugen und Kräfte der Natur
Diese oft spektakulären Landschaftsformen nennt man Geotope: geomorphologisch bedeutende Orte mit wissenschaftlichem, kulturellem, wirtschaftlichem, didaktischem, ästhetischem oder ökologischem Wert. Sie sind Zeugen der Erdgeschichte und zeigen die dynamischen Kräfte der Natur – wie Schwerkraft, Wasser oder Eis – die das Relief formen. Diese nennt man geomorphologische Agenten.
Man unterscheidet zwei Hauptkategorien von Geotopen:
- Inaktive Geotope wie Moränen ausgestorbener Gletscher, Berge, Sedimentschichten eines ehemaligen Sees oder Gesteinsplatten mit Fossilabdrücken. Sie sind Archive vergangener Prozesse und Klimata – die Kräfte, die sie gebildet haben, wirken heute nicht mehr.
- Aktive Geotope wie Schuttkegel, Wasserfälle oder Schluchten. Auch wenn sie zum Teil durch vergangene Ereignisse entstanden sind, verändern sie sich auch heute noch.
Geomorphologische Agenten im Park
Der Naturpark Gruyère Pays-d’Enhaut bietet eine grosse Vielfalt an Geotopen, die durch verschiedene geomorphologische Agenten geformt wurden. Diese Prozesse wirken auf sehr unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen. Nachfolgend ein Überblick.

Wasser ist ein langsamer, aber mächtiger Erosions- und Transportfaktor. Es gräbt sich in den Fels, transportiert Sedimente und lagert sie anderswo wieder ab.
Mit der Zeit entstehen dabei Vertiefungen oder tiefe Schluchten wie entlang der Saane (Le Vanel, Le Gérignoz, La Tine) oder in den Jogneschluchten. Weitere typische Formen sind Fluss-Terrassen (bei Neirivue), Wasserfälle (Tâna, Jaun) oder Schwemmfächer (Lessoc).
Diese Geotope sind in der Regel auch heute noch aktiv. Die Wassermengen der Flüsse waren jedoch in der Vergangenheit – vor allem während der Entgletscherungsphasen – deutlich höher. Die damalige Erosion war entsprechend intensiver.

Die Tektonik ist verantwortlich für die Deformationen der Erdkruste und die Entstehung unserer Berge. Über viele Millionen Jahre, in Kombination mit der unterschiedlichen Erosion von Gesteinen, entstehen Strukturlandschaften wie der bekannte Moléson (ein sogenannter „hängender Synklinal“) oder die emblematische Gastlosen-Kette.

Ein grosser Teil der Gesteine im Park besteht aus Kalkstein. Im Zusammenspiel mit kaltem, leicht saurem Wasser findet eine karstische Lösung statt: Das Wasser löst den Kalk entlang von Rissen und bildet an der Oberfläche und im Untergrund vielfältige Karstformen.
Zwei ehemals von Gletschern geformte Täler, heute karstisch geprägt, sind besonders bekannt: das Vallon des Morteys und das Vallon du Breccaschlund. Dort findet man zahlreiche Karstformen wie Karren und Dolinen. Das Wasser versickert oft und taucht erst kilometerweit entfernt wieder auf, wie das Wasser des Rio des Morteys, das 11 km weiter am Jauner Wasserfall austritt.

In den letzten 2,6 Millionen Jahren war unsere Region von zahlreichen Eiszeiten geprägt. Die letzte, das Würm-Glazial, erreichte vor etwa 24.000 Jahren ihren Höhepunkt. Damals war fast das gesamte Gebiet von mächtigen Gletschern bedeckt.
Die Täler im Park zeugen noch heute von ihrer Wirkung: Sie wurden durch die Gletscher vertieft und geformt. Ein typisches Beispiel ist das Gletschertal von Intyamon.
Wie Wasser transportiert auch Eis Gesteinsblöcke und Sedimente, die beim Abschmelzen abgelagert werden. Man spricht von Findlingen (wie der bei La Lécherette, ein Zeuge des Rhônegletschers am Col des Mosses) oder Moränenkomplexen (wie bei Tissiniva, nördlich der Dent de Brenleire). Da heute alle Voralpengletscher verschwunden sind, gelten diese Geotope als inaktiv.
Durch steile Felswände sind gravitativ geformte Landschaften wie Felsstürze und Schuttkegel im Park häufig. Ein herausragendes Beispiel ist der Felssturz im Wald von Lapé, am Fuss der Dent de Savigny und der Dent de Ruth. Dort zeigt sich die Verbindung zwischen Geodiversität und Biodiversität: Eine Primärwaldfläche mit Arven – nördlich der Alpen sehr selten – hat sich auf den Felsblöcken angesiedelt. Schuttkegel in typischer Halbkreisform mit gleichmässiger Neigung sind häufig, z. B. beim Château Chamois im Naturschutzgebiet Pierreuse.

©Quentin Vonlanthen
Ein Erbe, das es zu bewahren gilt
Das reiche Geopatrimonium des Parks zu schützen bedeutet, unsere Beziehung zur Landschaft und ihr 4,6 Milliarden Jahre altes Gedächtnis in Gesteinen und Landschaften zu bewahren. Es heisst, dieses Erbe – und seinen Wert für Wissenschaft und Gesellschaft – an zukünftige Generationen weiterzugeben.
Das Informationszentrum Les Mosses stellt fünfzehn außergewöhnliche Naturstätten vor – allesamt Zeugen der Landschaftsentwicklung.
Über das gesamte Parkgebiet verteilt, erzählen sie die lange Geschichte der Alpenbildung und veranschaulichen die Prozesse, die auch heute noch die Reliefs formen, die wir so sehr schätzen.