Lebendigen Traditionen

Vorschläge

critères et catégories

Die im Inventar aufgeführten Traditionen erfüllen folgende Bedingungen:

Die UNESCO teilt die lebendigen Traditionen in fünf Kategorien auf:

  • Sie werden hier und heute in der Schweiz ausgeübt.
  • Sie sind Teil unserer Identität und unserer kulturellen Vielfalt.
  • Sie entwickeln und erneuern sich laufend.
  • Mündliche Ausdrucksweisen
  • Darstellende Künste
  • Gesellschaftliche Praktiken
  • Umgang mit der Natur
  • Traditionelles Handwerk

Das immaterielle Kulturerbe des Parks

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Das immaterielle Kulturerbe des regionalen Naturparks Gruyère Pays-d’Enhaut ist sehr reich. Zahlreiche lebendige Traditionen aus Freiburg (FR) und dem Waadtland (VD) existieren auf seinem Gebiet.

Hier ein paar Beispiele:

  • Maisingen (FR)
  • Karrenrennen Charmey (FR)
  • Der Alpabzug in Charmey (FR)
  • Belle Époque-Bahnreisen (VD)
  • Schafscheid (FR)
  • Petits soldats du Mardi Gras (FR)
  • Gipfelkreuze (FR)
  • Alpsaison (FR et VD)
  • Narzissenpflücken (VD)
  • Resonanzholz für den Bau von Musikinstrumenten suchen (VD)
  • Internationales Ballonfestival in Château-d’Œx (VD)
  • Poyas (FR)
  • Schindelmacherei (FR et VD)
  • Scherenschnittkunst im Pays-d'Enhaut (VD)
  • Trockensteinmauern (VD)

Maisingen

Seit dem 19. Jahrhundert ziehen Freiburger Kinder am 1. Mai durch die Dörfer, um an den Haustüren zu singen und so den Frühling zu begrüssen. Sie bekommen dafür ein paar Münzen oder Süssigkeiten.

Manche spielen lieber ein Stück auf einem Instrument als ein Lied vorzutragen; einige hört man im alten Freiburger Patois singen. Im Greyerzbezirk sind manche Kinder im Bredzon oder im Dzaquillon unterwegs, den traditionellen Trachten der Region.

Die Tradition ist auch in den Jugendvereinen beliebt, die in der Woche des 1. Mai abends von Tür zu Tür ziehen, um zu singen.

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Karrenrennen Charmey

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Seit den Siebzigerjahren bildet das Karrenrennen den Höhepunkt der Kilbi, der Bénichon, in Charmey. Fünfköpfige Teams schmücken je einen vom Jugendverein zur Verfügung gestellten Karren. Sie können entweder in der Kategorie «Humor» oder in der Kategorie «Wettkampf» antreten. Während des Kilbi-Wochenendes finden zwei Renndurchgänge statt: der eine am Samstagabend, der andere am Sonntagnachmittag.

Früher nutzten die Bauern die Holzkarren, um Heu auf steilem Gelände zu transportieren. Typisch sind die zwei grossen Hinterräder und die zwei Vorderkufen, die einst mit Handgriffen versehen waren.

Des Alpabzug in charmey

Wenn der Herbst Einzug hält, kehren die Viehherden von der Alp zurück und werden ihren Besitzern zurückgegeben. Der Alpabzug ist ein Ereignis für Gross und Klein. Die Sennen und ihre Begleiterinnen und Begleiter tragen traditionelle Trachten. Die Kühe tragen Glocken und Treicheln an Riemen aus besticktem Leder und sind mit Blumen und/oder einem mit buntem Papier dekorierten Tännchen geschmückt. Herden, die von einer Alp zurückkehren, auf der Alpkäse produziert wird, werden in der Regel vom «train de chalet» begleitet, einem Wagen mit allem Material, das es für die Käseherstellung braucht.

In Charmey findet der Alpabzug jeweils am letzten Samstag im September statt und zieht jährlich über 10 000 Zuschauerinnen und Zuschauer an, darunter viele Touristen. Etwa zehn Herden ziehen durchs Dorf, und wer will, kann einen Alpkäse- und einen Handwerksmarkt besuchen.

Im Gebiet des Parks sind ausserdem die Alpabzüge von Albeuve und L’Etivaz bekannt.

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Belle Époque-Bahnreisen

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Im Verlauf des 19. Jahrhunderts baute die Schweiz ihre Transport-Infrastruktur aus, um Touristen anzulocken. Damals entstand auch die Bahnstrecke zwischen Zweisimmen und Montreux.

Noch heute kann man die Strecke in dem legendären Belle Époque-Zug befahren und das Panorama in romantisch-schicker Atmosphäre geniessen.

Schafscheid

Der Schafscheid von Jaun im Greyerzbezirk ist der Alpabzug der Schafe. Eine Sömmerungsherde besteht oft aus Tieren mehrerer Eigentümer. Wenn die Schafe von der Alp kommen, werden sie auf einem Sammelplatz in Pferche getrieben. Von dort aus werden sie aufgeteilt oder eben «ausgeschieden» und an ihre jeweiligen Besitzer zurückgegeben.

Am Tag des Volksfestes kommen 300 bis 500 teils geschmückte Schafe in mehreren Herden im Dorfzentrum von Jaun an. Die Schafe werden an diesem Tag nicht nur an ihre Besitzer zurückgegeben, sondern es gibt auch einen Markt, auf dem mit ihnen gehandelt wird.

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Gipfelkreuze

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Laut einem Verzeichnis stehen auf Freiburger Gipfeln etwa 70 Kreuze. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts wurden religiös konnotierte Missionskreuze auf die Berge getragen. Mit der Entwicklung des Alpinismus errichtete man immer mehr Kreuze in den Alpen und Voralpen. Manche wurden im Gedenken an Bergsteiger aufgestellt, die in den Bergen zu Tode gekommen waren.

Petits soldats du Mardi Gras

In den Dörfern Villars-sous-Mont und Neirivue marschieren am Morgen des Fasnachtsdienstags (Mardi Gras) Schulbuben im Rhythmus einer Trommel von Tür zu Tür, um zu singen. Damit der Umzug durchgeführt werden kann, müssen mindestens vier Knaben teilnehmen. Jeder hat eine klar definierte Rolle: der Chef, der Trommler (Tambour), der Fahnenträger und mindestens ein Soldat.

In Neirivue tragen die Knaben ein «Képi» (Käppi) und sind unbewaffnet, in Villars-sous-Mont tragen sie eine Mütze und ein Holzgewehr.

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Alpsaison

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Im Monat Mai werden Rinder, Schafe und Ziegen auf die Alpweiden in 1000 bis 2000 m Höhe gebracht. Dieser Alpaufzug heisst im Freiburger Patois «Poya» und markiert den Beginn der Alpsaison. Während des ganzen Sommers kümmern sich die Alphirten und ihre Familien um die Herden, passen auf jedes Tier auf und unterhalten Weiden, Zäune und Gebäude. Zum Alltag der Sennen gehören auch die Milchverarbeitung und die Alpkäseproduktion.

Diese Alpsömmerung, die es bereits seit dem Mittelalter gibt, steht am Ursprung von zahlreichen Fertigkeiten, Liedern, Traditionen und Ereignissen wie dem Alpabzug.

Die Alpsaison ist Kandidatin für die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit. Das Bundesamt für Kultur (BAK) hat zusammen mit Fachleuten aus den Bereichen Kulturerbe und Landwirtschaft ein Dossier vorbereitet, das die Schweiz Ende März 2022 eingereicht hat. Der Entscheid der UNESCO sollte im November 2023 fallen.

Narzissenpflücken

Auf den Anhöhen von Montreux breiten sich im Mai weissblühende Narzissenfelder aus. Ab dem 19. Jahrhundert waren die Narzissen und das Narzissenpflücken eine wichtige Touristenattraktion für die Stadt Montreux, wo von 1897 bis 1957 gar ein Narzissenfest stattfand.

Die Narzissenblüte gibt es auch heute noch, doch die Narzissenwiesen werden immer weniger. Massnahmen zum Schutz der Blumen tun daher dringend not.

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Resonanzholz für den Bau von Musikinstrumenten suchen

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Seit dem 16. Jahrhundert gibt es Menschen, die im Wald nach Fichtenklangholz suchen, also nach Fichten, deren Holz sich für den Bau von Musikinstrumenten eignet. Dabei gelten strenge Kriterien. So muss sich der Standort in 1000 bis 1800 m Höhe befinden, es braucht ein stabiles Klima, ein langsames und regelmässiges Wachstum, ein windgeschütztes Gelände und ein Baumalter von 200 bis 400 Jahren.

Die Klang- oder Resonanzholzsucher müssen gut auf den Wald hören. Sie schlagen mit einem Hammer auf den Baumstamm, um dessen akustische Eigenschaften zu erkennen. Die ausgewählten Fichten werden bei abnehmendem Mond im Zeichen des Löwen gefällt, möglichst spät im November.

Nur eine von 10 000 Fichten eignet sich als Klangholz. Um sie zu finden, sind Wissenschaft und Instinkt gleichermassen gefordert.

Internationales Ballonfestival in Château-d'Œx

Das erste Internationale Heissluftballonfestival fand 1979 statt, auf Initiative von Charles-André Ramseier, dem damaligen Direktor des Tourismusbüros Château-d’Œx. Für die Austragung wurde der Winter gewählt, weil die meteorologischen Bedingungen in der Region dann fürs Heissluftballonfahren besonders günstig sind.

Seither ist das Festival immer grösser geworden und lockt immer mehr Zuschauerinnen und Zuschauer ebenso wie Teilnehmende aus der ganzen Welt an.

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Poyas

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Der Begriff Poya bezeichnet im Freiburger Patois zum einen den Alpaufzug an sich, zum anderen dessen bildliche Darstellung. Diese Abbildungen eines zentralen Moments der Alpsaison tauchten im frühen 19. Jahrhundert auf den Bauernhausfassaden der Freiburger Voralpen auf. Jeder Viehhalter schmückte seinen Hof mit einem Bild, das seine Herde von ihrer besten Seite zeigte. Wie auf einer Schnur aufgereiht, ziehen Kühe und andere Hoftiere quer über das Bild, ergänzt mit Sennen und anderen typischen Elementen des Alplebens.

Scherenschnittkunst im Pays-d'Enhaut

Die Scherenschnitte aus dem Pays-d’Enhaut wirken wie Spitzengewebe aus Papier. Sie werden mit einer Schere oder einem Cutter hergestellt. Sie können in einem Stück in Schwarz und Weiss oder aus verschiedenfarbigen Papierbögen geschaffen werden. Meistens zeigen sie traditionelle Motive einer idyllischen Schweiz und der Alpwirtschaft.

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Le tavillonnage

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Schindeln sind dünne Brettchen aus gespaltenem Holz, hauptsächlich von Fichten, die auf über 1000 m Höhe gewachsen sind. Für die Qualität der Schindeln ist die sorgfältige Auswahl des Baumes entscheidend: Die Bäume werden in der Regel zwischen November und Mitte Februar gefällt, wenn der Mond besonders günstig steht. Dann wird das Holz zu Schindeln gespalten und in Paketen, sogenannten «Bosses» gelagert. Zwischen Frühling und Herbst werden die Dächer gedeckt. Der Schindeldecker arbeitet dabei mit einem speziellen Schindelhammer.

Die präzise und zeitlose Kunst der Schindelmacherei lässt sich in zwei Jahren bei einem «Meister» erlernen. Schindelmacher sind heute vor allem mit der Renovation alter Gebäude beschäftigt, doch kommt die Technik auch bei Neubauten wieder vermehrt zum Einsatz.

Trockensteinmauern

Ganz ohne Mörtel und Zement gebaut, sind Trockensteinmauern stabil und beständig – und ein charakteristisches Element der Schweizer Landschaften. Einst dienten sie dazu, Grundstücke zu begrenzen, das Vieh einzuschliessen oder Brunnen zu sichern.

Der Bau von Trockensteinmauern hat zum einen eine ökologische Seite (Nutzung von natürlichen Ressourcen, harmonische Landschaftsgestaltung), zum anderen gesellschaftliche Aspekte (Beteiligung von Freiwilligen an Bau und Reparatur, Schutz gegen Lawinen).

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